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Mit beiden Beinen im Leben

Lesezeit: 33 Minuten

Genau wenn man denkt, dass man schon alles gesehen hat, dann wird man eines Besseren belehrt. Vor allem, wenn man glaubt die physischen Grenzen respektive Anforderungen ans Snowboarden zu kennen: Man steht auf dem Board, federt mit den Knien und löst die Kurven mit einer Oberkörperrotation und mit Verschieben des Schwerpunktes zwischen den Füssen aus. Zumindest war das die letzten vier Jahrzehnte mein Verständnis des Snowboardens. Aus diesem Grund wehrte sich zuerst mein Verstand, das Gesehene richtig zu interpretieren. Gedankenblitze, wie «das ist doch unmöglich!» gingen mir durch den Kopf. «Wie kann er nur…», war dann das Nächste, als ich merkte, dass plötzlich mein Weltbild auf den Kopf gestellt wurde.

Etwas in der gleichen Art denken wohl die meisten, wenn sie Darren «Swifty» Swift das erste Mal snowboarden sehen. Der beidseitig oberhalb des Knies amputierte Ex-Soldat – er hat also keine Knie mehr – boardet trotz der massiven Einschränkung. Vielmehr glaube ich, hat man es einfach verpasst, ihm zu sagen, dass dies eigentlich unmöglich ist. Es scheint, dass der charismatische und ehemals 188 cm grosse Hüne – der nun einen halben Meter kürzer ist – seine eigenen Regeln des Möglichen definiert hat.

Swifty am Snowboarden in Laax
Pascal Kesselmark | board generation

Rückwirkend gesehen, gibt es im Leben jedes Menschen ein einschneidendes Erlebnis. Für Swifty war dies Mai 1991. Bei einem Anschlag der IRA in Nordirland, verlor er einen guten Freund und seine beiden Beine. Dieser Tag formte ihn zu dem, was er heute ist: Vater, Abenteurer, Boarder, Schauspieler und Motivationssprecher.

Swifty als Sprecher
Darren "Swifty" Swift | board generation

Da ich über die letzten Monate einige Tage mit Swifty und seinen Teamkollegen in den Bergen verbringen durfte, ist mir vor allem die Lebensfreude von ihm und seinen Kollegen aufgefallen, seien diese amputiert, blind oder ihr Körper durch angereicherte Uranmunition vergiftet worden. Eine Lebensfreude, die mich an die frühen Tage des Snowboardens und an die Zeit vor dem grossen Kommerz erinnerte. Und was Swifty leistet ist gewaltig: Keine Knie zum Abfedern, alle Schläge gehen direkt in den Rücken und das Board mit der selbstgebauten Bindung, welches an seine Oberschenkel geschnallt wird, wiegt über 12 Kilogramm.

Das Interview mit Swifty wurde anlässlich eines Trainings im Kaunertal gemacht.

Bevor wir mit dem Interview anfangen. Es scheint, dass Du keine Probleme damit hast, über den Anschlag und den Verlust Deiner Beine zu sprechen. War dies von Anfang an so?

Ich hatte nie ein Problem darüber zu sprechen, das war so dank der militärisch-medizinischen Versorgung, bei der mir die Jungs vom Militär nie die Möglichkeit gegeben haben, nicht ich selbst zu sein und mich zurückzuziehen oder darüber zu schweigen. Deshalb habe ich immer sehr offen darüber gesprochen, was mit mir passiert ist. Es stört mich nicht. Es gibt einen kathartischen Nutzen, denke ich, oder einer der Vorteile ist kathartisch darüber zu sprechen, was passiert ist, und ich habe das sehr gerne getan. Obwohl ich PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) habe, leide ich nicht darunter; ich manage meinen Zustand. Ich bin in der Lage, meinen Zustand zu kontrollieren; meistens, nicht die ganze Zeit, aber meistens.

Swifty trinkt ein Bier nach dem Boarden
Pascal Kesselmark | board generation

Dann gehen wir gleich ins Volle. Wie hast Du 1991 Deine Beine verloren?

Zwei IRA-Terroristen haben versucht aus einem fünfstöckigen Gebäude eine Bombe auf meinen Kopf zu werfen. Zumindest nehme ich dies an, weil die Bombe, eine Kaffee-Glaskanne, direkt neben mir aufschlug. Die IRA (Irisch-Republikanische Armee) setzte Semtex (Anm. d. Red.: Ein Plastiksprengstoff) in die Glaskanne. Und im Semtex war, was wir früher Schiffswerft-Konfetti nannten: Muttern, Schrauben, Nägel. Alles, was herumfliegen, verstümmeln und töten kann.

Es hat mich umgehauen und meinen Freund Terry „Geordie“ O’Neill getötet. Er war – wie ich – ein Hundeführer und stand etwa einen Meter von mir entfernt und war tot, bevor er auf dem Boden aufschlug. Und ich sass auf meinem Hintern auf dem Beton, bei vollem Bewusstsein und ohne Schmerzen, es gab keine Schmerzen. Ich sass einfach nur da, schaute zu seinem Körper und schrie ihn an: Geordie! Geordie! Wach auf Geordie! Dann sah ich mich selbst an und merkte, dass meine Beine und zwei Finger fehlten. Die Bombe hatte meinen linken Arm verletzt und zusätzlich hatte ich viele Schrapnellverletzungen. Ich blutete stark und dachte, ich würde sterben. Meine Grossmutter starb etwa 18 Monate zuvor und ich dachte – ich bin in keiner Weise religiös – sie würde kommen und mich holen, es würde ein Tunnel mit einem Licht geben. «Darren kommt ans Licht, kommt hier entlang» und ich sass dort eine gefühlte Ewigkeit, es passierte aber nichts. Deshalb wollte ich mich selbst erschiessen und so griff ich nach meiner Pistole, denn ich hatte in meiner ganzen Zeit in Nordirland immer eine Pistole bei mir. Doch dieses eine Mal hatte ich die Waffe nicht dabei und konnte mich nicht selbst erschiessen. Wenn ich jetzt zurückblicke, hatte ich irgendwie Glück im Unglück. Sonst hätte ich mir womöglich das Kinn, mein Ohr oder was auch immer weggeschossen.

Darren "Swifty" Swift | board generation

Du hättest die Dinge noch schlimmer gemacht.

Genauso ist es. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und lag für etwa vier Tage im Koma. Dann verlegten sie mich nach London und ich begann mit meiner Rehabilitierung. Diese dauerte etwa 18 Monate und dann wurde ich gefragt: Willst Du zu Hause bleiben oder sollen wir Dir einen Bürojob geben? Aber ein Bürojob, das war nichts mich; ich war ein Infanterist. Ich beschloss, dass es mit 26 Jahren an der Zeit für mich war aus der Armee auszusteigen. Da ich mit 16 Jahren beigetreten bin, hatte ich 10 Jahre hinter mir und das war genug. So bin ich dann um die Welt gereist, probierte viele Sportarten aus und kam zu all den Dingen, welche ich heute mache.

Du hast damals beschlossen den Bürojob nicht anzunehmen. Was waren dann deine Pläne? Du warst frei, Du konntest fast alles tun, was Du wolltest. Was hast Du dann konkret getan? Du sagst, dass Du viel gereist bist.

Ich hatte überhaupt keine Einschränkungen, ich war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Ich wollte einfach wegfahren und das tun, was ich schon immer tun wollte. Meine Leidenschaft war immer das Reisen, neue Erfahrungen zu machen und verschiedene Dinge zu tun. Um ehrlich zu sein, war ich nicht wirklich sportlich zu dieser Zeit. Sport war nicht etwas, das ganz oben auf meiner Agenda stand, doch ich habe alles genossen was Abenteuer beinhaltet. Wenn also Sport mit einem Abenteuer zusammenfällt, dann bin ich dabei und so beteilige ich mich an einigen Kanufahrten und machte eine Expedition in den kanadischen Nordwest-Territorien oben am Polarkreis. Es war mit einigen Freunden, die auch behindert waren. Mit dem Kanu auf einem Wildwasserfluss bis zum Polarkreis und das war eine erstaunliche Reise, ein erstaunliches Ereignis und Erlebnis. Die Expedition dauerte 18 Tage und wir brauchten zwei Jahre, um sie zu planen, vorzubereiten und uns darauf einzustellen.

Swifty im Kanu
Darren "Swifty" Swift | board generation

Danach habe ich beschlossen mit einem Fahrrad mit Handradantrieb Island zu durchqueren. Zu der Zeit hatte ich bereits ein paar Expeditionen mit anderen Leuten gemacht und ich habe es genossen als Team zu arbeiten, aber ich wollte etwas ganz alleine machen. Deshalb habe ich mir diese Expedition durch Island ausgedacht. Niemand war mit Handantrieb durch Island gefahren. Leider fiel meine ursprüngliche Route durch das Zentrum Islands – zwischen den Gletschern durch – infolge des Wetters buchstäblich ins Wasser. Schliesslich bin ich quer durch den Süden bis zum untersten Teil Islands und zurück nach Reykjavik gefahren. Es war eine erstaunliche Reise und ich hatte viel Spass dabei, aber es war sehr anstrengend; Handräder sind anstrengend und in Island geht es entweder bergauf oder bergab und es gibt normalerweise immer Gegenwind.

Swifty mit dem Handfahrrad
Darren "Swifty" Swift | board generation

Dann hatte ich die Chance mit Fallschirmspringen anzufangen; also wurde ich Fallschirmspringer.

Was meinst Du damit, dass Du die Chance dazu hattest?

Mir und meinem sehr guten Freund Alistair Hodgson – er verlor seine Beine genauso wie ich und wir haben ein paar Jahre lang einiges zusammen gemacht – wurde angeboten: Warum macht ihr nicht einen Tandemsprung für Blesma (British Limbless Ex-Servicemen Association). Und wir dachten nur: Ja genau, dann kommen wir vorbei und werden es nicht machen können, da wir keine Beine haben. Aber dieser Typ sagte: „Nein, nein, nein, kommt vorbei, wir regeln das schon.“ Also machten wir diesen Fallschirmsprung und genossen es sehr. Es war das Beste, was wir je getan haben. Wir sahen uns beide an und sagten: «Scheiss drauf, wir müssen das alleine machen, wir brauchen kein Tandem, lass uns noch einen Sprung machen».

Alistair und Swifty irgendwo über England
Darren "Swifty" Swift | board generation Alistair und Swifty irgendwo über England

Also sprachen wir mit dem Chef der Landezone und sagten ihm, dass wir das alleine machen wollen. Und er sagte, er sei sich nicht sicher, ob die Behörden es zulassen, es sei eine Frage der Sicherheit und der Versicherung. Wie auch immer, er sagte uns, dass er es abklären würde. Ungefähr drei Wochen später rief er uns an und teilte uns mit, dass es möglich sei. So wurden wir die ersten beiden Fallschirmspringer der Welt ohne Beine über dem Knie. Wir sind etwa fünf, sechs Jahre lang Fallschirm gesprungen und 2003 haben Alistair und ich Gold bei den britischen Fallschirmmeisterschaften gewonnen. All die Leute haben wir Lügen gestraft, welche gesagt haben, dass man nicht Fallschirmspringen kann, wenn man keine Knie hat. Wir haben mit unseren Fingern auf sie gezeigt und gesagt: «Nein, können wir doch, schaut was wir gewonnen haben».

Gewinn der Goldmedaille 2003 bei den Britischen Fallschirmsprung Meisterschaften
Darren "Swifty" Swift | board generation Gewinn der Goldmedaille 2003 bei den Britischen Fallschirmsprung Meisterschaften

Gab es eine spezielle Kategorie für Behinderte?

Nein, beim Fallschirmspringen gibt es keine Kategorie für Behinderte; entweder du springst oder du springst nicht? Das ist es und niemand kümmert sich um eine Behinderung.

Swifty über Arizona
Darren "Swifty" Swift | board generation Swifty über Arizona

Also habt Ihr sie alle besiegt.

Es war fantastisch, weil die Behinderung niemanden interessierte. Sobald man in der Luft ist, spielt es keine Rolle mehr, welche Behinderung oder Fähigkeit man hat. Wir waren sehr erfolgreich damit, jedoch habe mich beim Fallschirmspringen ein wenig gelangweilt und mich nach etwas anderem umgesehen. Die Liebe dazu ist über die Zeit erloschen. Also entschied ich mich, eine andere Sportart zu finden und bin auf den Monoskibob umgestiegen, welchen ich dann etwa 10 Jahre lang gefahren habe.

Swifty auf dem Monoskibob
Darren "Swifty" Swift | board generation Swifty auf dem Monoskibob

Ich machte das wirklich gerne, aber weisst Du was? Es wurde ein wenig langweilig und ein wenig mmm… Ich war dann in Italien und ich habe das getan, was jeder in Italien tut, wenn er Ski fährt.

Mas macht man in Italien beim Skifahren?

Nun, du sitzt da und isst zu Mittag. Das italienische Mittagessen dauert ca. drei Stunden und beinhaltet in der Regel Wein und natürlich Pasta. Also hatte ich eine Schüssel Pasta und mich den grössten Teil durch eine Flasche Wein getrunken. Plötzlich fuhren diese drei jungen Snowboarder die Piste herunter – es war in 2005/2006 – und genau auf mich zu, als ich auf der Terrasse sass und meinen Wein genoss.

Wo war das in Italien?

In Sestriere. Und diese Kerle kamen hoch, steckten ihre Bretter in den Schnee und gingen rein zum Biertrinken. Ich dachte: «Scheiss drauf. Das will ich tun. Das ist es, was ich tun will». Und so bin ich nach Hause gekommen, und habe mich eines Abends mit meinem sehr guten Freund Dale Rennard – er ist Designer – bei ein paar Bierchen zusammengesetzt und ihm gesagt: «Schau, ich möchte gerne Snowboarder werden». Er fragte, wie ich das machen wolle. Und ich sagte, dass ich es nicht weiss, aber wir haben an diesem Abend die Grundlagen meiner heutigen Bindung auf einen Bierdeckel gezeichnet.

Die selbstgebaute Bindung wird um den Oberschenkel befestigt
Pascal Kesselmark | board generation

In den nächsten 14 Jahren hat sich diese Zeichnung zu dem entwickelt, was ich jetzt tue, nämlich wettkampfmässiges Snowboarden. Da hat es mich also mit dem Snowboard-Fieber erwischt und als Resultat davon habe es bei den Paralympics versucht. Letztes Jahr waren die Winterparalympics in Pyeongchang in Südkorea, und ich habe zweieinhalb Jahre mit dem britischen Team trainiert, um mich dafür zu qualifizieren. Leider konnte ich aus verschiedenen Gründen nicht ausgewählt werden. Es ist wirklich schade; das IPC (International Paralympic Committee) wollte, dass ich dabei bin und ich habe alle IPC-Qualifikationen bestanden. Aber leider entschieden der britische Verband, dass ich nicht schnell genug war. Ich war drei Sekunden über der Zeit, die sie verlangt hatten. Also durfte ich nicht teilnehmen, was für mich sehr enttäuschend war.

Also haben sie lieber niemanden statt dich geschickt? Soviel zum Motto «Mitmachen ist alles»…

Und sie haben mich wirklich genervt, weil ich immer noch der einzige beidseitig oberhalb des Knies amputierte Snowboarder in der Welt bin. Obwohl mein Kumpel, dem ich es nun beibringe, auch schon boardet. Ich bin die Einzige der Wettkämpfe fährt und sie hielten es nicht für angebracht mich zu schicken, obwohl ich sieben Einzel-Amputierte aus der ganzen Welt geschlagen hatte. Die fuhren übrigens alle für ihre Länder zu den Paralympics, aber ich durfte nicht hin. Darüber bin ich, wenn ich ehrlich bin, ziemlich verbittert.

Pascal Kesselmark | board generation

Es klingt wie die Geschichte von «Eddie the Eagle».

Sehr, fast genau wie die von Eddie. Ich wollte nie eine Medaille gewinnen. Ich war dort, um den Leuten zu zeigen, dass alles möglich ist, wenn man will. Jeder kann es schaffen, wenn man sich wirklich dafür einsetzt. Aber leider hat der britische Verband entschieden, dass das kein ausreichender Grund war, um nach Korea zu gehen. Sie wollten Medaillen und die Sponsoren wollten Medaillen. Es ist auf der ganzen Welt das Gleiche.

Die Paralympics sind also gleich wie die Olympischen Spiele? Geschäft geht über alles?

Genau das ist es. Wobei die Paralympics und das IPC mich wirklich unterstützt haben. Über sie kann ich mich nicht beschweren, da sie mich dort haben wollten und sie sahen genau, was ich zu tun versuchte. Leider taten es die Briten nicht. Aber hey, so ist halt das Leben.

Hättest Du dann gegen Einzel-Amputierte antreten müssen?

Nicht nur die Einzel über dem Knie amputieren, sondern auch die Doppel Unterknie Amputierten, die offensichtlich einen Vorteil gegenüber mir haben; sie haben zwei Knie zum Federn. Aber auch Wettkämpfer mit zerebraler Lähmung und Multiple Sklerose und anderen Behinderungen haben es einfacher als ich und das war von Anfang an sehr offensichtlich. Ich bin sehr im Nachteil und das habe ich von Anfang an bei den Wettkämpfen gemerkt. In meinem ersten Wettbewerb war ich eine Null, ich war unter Null, ich erschien nicht einmal auf der Rangliste. Nach einer Weile kamen meine Fähigkeiten ein wenig zum Vorschein und ich schaffte es besser zu werden. Wir änderten die Art und Weise, wie die Bindungen konfiguriert war und ich habe am Ende zwar nicht gewonnen – ich habe nie etwas gewonnen – aber ich habe irgendwie die erste Person geschlagen, dann zwei Personen, dann drei Personen und so weiter.

Und nun suchst Du nach Leuten, die auch in deiner Kategorie mitmachen würden, willst Du trotzdem teilnehmen? Selbst wenn Du 60 wärst, wenn Du die Chance hättest, zu den Olympischen Spielen zu fahren, wärst Du dann dabei?

Ich würde gerne ja sagen; ich würde gerne denken, dass ich es könnte. Es gibt keinen Grund, warum ich es nicht tun sollte, abgesehen von meiner eigenen Fitness und ich halte mich fit. Für mein Alter denke ich gerne, dass ich extrem fit bin, aber man kann immer ein wenig mehr machen. Wenn mein Geist und Körper fit genug bin, dann kann ich auch mit 60 Jahren noch mithalten. Wenn die Olympischen Spiele das nächste Mal 2022 in Peking stattfinden, werde ich 56 Jahre alt sein. Ich wäre bereits bei den letzten olympischen Spielen der älteste Teilnehmer gewesen. Der zweitälteste Typ war etwa vier Jahre jünger als ich. Ich glaube nicht, dass das Alter einen Unterschied macht. Es ist nur die Fähigkeit, ob du die Eier hast, da rauszugehen und es zu tun, und im Moment denke ich, dass ich sie habe. Aber aktuell liegt meine Priorität darin andere Leute einzubeziehen und dazu zu bringen, auch in Wettbewerben mitzumachen. Und so wäre das IPC mehr als glücklich, uns eine eigene Kategorie zu geben. Sie können es aber nicht, wenn es nur ich und zwei weitere Wettkämpfer gibt. Es müssen vier, fünf, sechs oder sieben weitere aus der ganzen Welt sein, die auch Wettrennen fahren wollen. Wir sind also wirklich daran interessiert, andere doppelt über dem Knie amputierte von überall her, unabhängig von ihrem Hintergrund und ihrem Alter, zum Boarden zu bekommen.

Das wollte ich Dich sowieso fragen. Du unterstützt also nicht nur Briten, sondern jeden Interessierten?

Jeder von überall auf der Welt. Ich würde gerne von ihnen hören. Und wenn es da draussen jemanden gibt, der es gerne versuchen würde, muss man im Moment doppelt über dem Knie Amputierter sein. Selbst wenn Du ein Überknie und ein Einzel-Unterknie wärst – die da draussen wissen, wovon ich rede – dann ist das auch toll, wir können damit arbeiten, da bin ich mir sicher. Aber wir müssen nur Leute finden, die sich uns anschliessen und eine Gruppe bilden, und dann kann diese Gruppe bei den Paralympics gegeneinander antreten.

Pascal Kesselmark | board generation

Würdest Du sie auch bei den Bindungen und so weiter unterstützen?

Ja. Auf jeden Fall.

Ich denke die Ausrüstung ist im Moment die grösste Herausforderung, wenn jemand damit anfangen will? Man könnte mit einem Kinder-Snowboard beginnen, wie Du es getan hast, und dann werden sie es nach einer Abfahrt brechen, weil es nicht für dieses Gewicht und den Druck, den Du auf ihm ausübst, gemacht ist. Und das nächste ist die Bindung, denn wenn ich sie mir ansehe, ist sie einzigartig. Für mich sieht sie aus wie ein Panzer. Ich nehme auch an, wenn mehr Leute dies tun, dann besteht eine grosse Chance, dass die Technologie auch verbessert wird, und dann kann man auch die Kosten dafür besser verteilen. Ich nehme an, Du hast keinen Sponsor für die Bindungen. Musst Du sie selbst finanzieren?

Ich habe Sponsoren, die mir bei den Reise- und Übernachtungskosten helfen. Ich habe einen Sponsor, der letzthin etwas Geld gegeben hat, um die Bindungen voranzutreiben, aber es geht nicht nur ums Geld. Es geht darum, jemanden zu finden, der die Aufgabe erledigen kann, und wir hatten das grosse Glück, eine Firma namens Bristol Aero zu finden, welche ein kleines Unternehmen ist, das für die Luft- und Raumfahrtindustrie im Bereich Design arbeitet. Sie haben ihre Hilfe angeboten und sie leisten im Moment einen fantastischen Job bei der Entwicklung einer Bindung, die eine Dämpfung haben. Und dann geht es – egal welches Design man sich ausdenkt – darum, einen Hersteller zu finden, der diese Bindung in dem gewünschten Material herstellen kann. Ob Metall oder Kunststoff, ob Nylon oder was auch immer es sein mag. Wir befassen uns auch mit 3D-Druck.

Pascal Kesselmark | board generation

Ist eine Bindung aus dem 3D-Drucker stabil genug?

Wir wissen es nicht, bis wir dieses Ding produzieren. Die nächste Design-Iteration wird der STR 2 sein, also das «Suspended Test Rig 2», und wir haben das «Suspended Test Rig 1», welches sich im Obergeschoss (im Hotelzimmer) befindet und ich morgen testen werde. Ich weiss nicht, aber «Test Rig 1» hat bewiesen, dass das Konzept eines Stossdämpfers, der die Aufgabe des Knies nachahmen kann, funktioniert. Und dann montiert man dieses Teil auf etwas, das es erlaubt, in einer bestimmten Position zu stehen, eine einstellbare Position in der gleichen Weise, wie Du auf Deinem Brett stehst und man kann den High-Back einstellen, man kann den Winkel einstellen, man kann alles über die Bindung und die Schuhe einstellen, um diesen den Proportionen, der Grösse und dem bestimmten Fahrverhalten anzupassen, wenn man dies möchte. Wir wollen, dass dies für doppelt über dem Knie Amputierte funktioniert, da uns wichtige Dinge für das Snowboarden fehlen; Knie und Füsse sind beim Snowboarden von grosser Bedeutung. Deshalb versuchen wir das mit dem STR 2 zu replizieren und wenn wir das bauen lassen können, wird das eine Menge Geld kosten. Sobald das erledigt ist, können wir dann einige Messsensoren einsetzen lassen und wissen, wie viel Druck durch bestimmte Teile des Boards und des Menschen geht, um eine Rotation auszulösen, zu aktivieren oder zu erledigen, was auch immer es sein mag. Sobald wir das erledigt haben, können wir uns an den Designer wenden, um zu sagen: Richtig, okay, das war erfolgreich, lasst es uns tun. Und hoffentlich gibt es danach eine STR 3 und mit etwas Glück können wir dann in Richtung Serienmodell oder so etwas wie einem Serienmodell gehen, das Lee und ich wahrscheinlich bis zur Zerstörung testen können und dann vielleicht der Welt anbieten und sagen: Wenn du doppelt über dem Knie amputiert bist und boarden willst, kannst du mit uns zum Snowboarden kommen. Komm und schliess dich der Gruppe an, komm und nimm an den Paralympics teil und dann fahren wir alle zusammen.

Kümmerst Du Dich um Medaillen oder bist Du völlig uneigennützig?

Zu sagen, dass Medaillen egal sind, wäre falsch. Medaillen sind uns nicht egal, aber weisst Du was: «Wir bringen die Leute dazu zu boarden und das ist Gold für uns.»

Darren "Swifty" Swift | board generation Bronze Medaille im adaptiven SBX

Ist das nicht einfach das olympische Ideal? Ich meine, welches grössere Ziel könnte ein Sportler haben, als bei den Olympischen Spielen anzutreten.

Ich habe einmal einen britischen Kommentator gehört, der sagte: Willkommen zur grössten Show der Welt und das ist es. Es ist die grösste Show der Welt. Die Olympischen Spiele sind es und die Paralympics sind in mancher Hinsicht sogar grösser als die Olympischen Spiele, weil mehr Menschen sie sehen. Mehr Menschen sehen sich die Paralympics an; diese fantastische Show von Menschen mit Behinderungen, um zu sehen, was erreicht werden kann. Ich denke, es ist extrem wichtig und die Medaillen sind wirklich egal. Was zählt, sind die Menschen, die teilnehmen. Ich weiss, das klingt altmodisch und ein wenig archaisch, vielleicht sogar viktorianisch, aber es ist wahr. Es ist absolut wahr und es ist an der Zeit, und ich denke, viele der Sponsoren denken auch so, leider tun es einige der Organisatoren nicht. Aber es wäre schön, Menschen zu sehen, die in jeder Sportart gleichberechtigt starten könnten und das ist es, was Ludwig Guttmann vor vielen Jahren mit den Paralympics getan hat, in der Hoffnung, dass sein Traum irgendwann wahr wird.

Als ich Dich am ersten Tag auf dem Gletscher sah, war ich total überwältigt, denn ich realisierte, wenn man wirklich etwas will, wenn man wirklich snowboarden will, dann kann man es tun. Egal was.

Das ist für mich die Essenz des Snowboardens. Wir werden vielleicht alt, aber wir können es trotzdem noch machen. Ich hatte heute einen Crash, Du hattest heute einen Crash. Also ja, wir tun es, weil es unsere Person definiert, aber weisst Du was? Deshalb stehen wir immer noch lächelnd auf. Ja, wir haben Schmerzen. Aber Du weisst, was Du falsch gemacht hast, Du weisst, dass Du für eine Sekunde die Konzentration verloren hast oder Du hast etwas falsch eingeschätzt, Du weisst was schiefgegangen ist. Du lächelst immer noch. Ich lächle immer noch. Das ist die Einstellung der Snowboarder.

Pascal Kesselmark | board generation

Ich denke, das ist der Grund, wieso wir es durchziehen, bis wir an einen Punkt kommen, an dem wir körperlich nicht mehr fahren können. Ist das dann der Moment, an dem wir aufhören sollen? Unsere Frauen oder unsere Partner sagen uns vielleicht, dass es uns schadet ist, aber wir wissen, dass es uns nicht schadet. Es ist einfach etwas, das sie lieber nicht tun würden, aber Snowboarden ist für mich Freiheit. Es ist mir egal, wer du bist, was deine Behinderung ist, wie alt oder jung du bist. Wenn man in der Lage ist, den Berg zu erreichen, kann man auf jeden Berg gelangen, dann kannst man das Zeug geniessen, das Du und ich jeden einzelnen Tag über die Saison und darüber hinaus geniessen und das ist unbezahlbar. Jedem sollte die Möglichkeit gegeben werden. Niemandem sollte diese Gelegenheit verwehrt werden, das zu sehen, was Du und ich zu sehen bekommen, um dies Tag für Tag zu geniessen. Ja, wir sind beide gestürzt und hatten beide Schmerzen, aber wir konnten auf diesem Berg stehen und über eine erstaunliche Landschaft schauen und sie geniessen. Atmeten wirklich gute Luft ein und sitzen jetzt bei einem schönen Bier und Du weisst, dass das Leben nicht viel besser wird. Und ich möchte, dass jeder eine Chance hat, das zu tun, und mein kleiner Teil ist es, andere Menschen mit Amputationen genauso wie ich, zum Boarden zu bekommen. Das ist mein Ziel und ich will, dass das passiert. Ja, die Paralympics sind in Sichtweite und ich würde gerne 2022 gehen und das tun, aber wenn sie mir die Möglichkeit noch einmal verwehren wollen, das zu tun, würde ich lieber einfach weitermachen und andere Leute zum Snowboarden bringen und vielleicht haben einige jüngere Leute in der Zukunft eine Chance. Wenn wir hier das Eis brechen, können sie es vielleicht schaffen und in Zukunft zu den Paralympics kommen und das reicht mir. Wenn das passiert, werde ich darauf unendlich stolz sein.

Pascal Kesselmark | board generation

Ich denke, das Problem heute ist, dass viele Menschen, auch wenn sie einen solchen Tag haben, nicht in der Lage sind, ihn zu geniessen, weil sie nicht die Lebenserfahrung haben, um zu sehen, dass dies tatsächlich wirklich toll ist. Sie argumentieren wie: Wenn ich nach Hause komme, muss ich einige Rechnungen bezahlen, ich muss wieder zur Arbeit gehen und so weiter. Aber eigentlich ist das die Realität. Wenn ich euch sehe, erinnere ich mich daran, dass egal was passiert, man immer noch Snowboarden kann und es nicht das Ende der Welt ist.

Eine kurze Episode zu diesem Thema. Als die Terroristen mich in die Luft jagten und ich im Krankenhaus landete, kam es nach etwa drei Wochen dazu, dass alle Krankenschwestern mich badeten. Ein Team von sechs oder sieben Krankenschwestern holte mich ab, schob mich in meinen Rollstuhl ins Badezimmer, hob mich in die Badewanne und wusch mich. Was grossartig ist, richtig fantastisch. Sechs, sieben Krankenschwestern, welche dich baden. Jeder wird das lieben. Stimmt’s? Doch plötzlich dachte ich, dass ich anfangen muss Dinge für mich selbst zu tun. Ich beschloss alleine baden zu gehen. Deshalb fragte ich die Ärzte: «Kann ich alleine baden, nur einmal?» Konnte ich aber überhaupt alleine baden, denn meine Hände waren verbunden, meine Beine waren verbunden, fast alles war kaputt, aber ich wollte anfangen etwas Unabhängigkeit zu erlangen. Das war das Schlüsselwort: „Unabhängigkeit“. Zum Glück sagten die Ärzte: Ja, kein Problem, Du kannst das tun, aber sei vorsichtig, pass auf, was du tust. Also ging ich ins Badezimmer und setzte mich in die Badewanne. Danach wälzte ich mich wieder in meinen Rollstuhl und suchte nach einem Handtuch. Bis zu diesem Zeitpunkt blieb die Türe immer offen, damit alle Krankenschwestern genügend Platz hatten. Da jetzt niemand zusätzliches im Raum war, war die Türe geschlossen und auf deren Rückseite war ein durchgehender Spiegel angebracht. Ich habe mich im Rollstuhl im Raum gedreht, um nach einem Handtuch zu suchen, aber plötzlich sehe ich mich selbst. Also sehe ich mich selbst an, nackt mit all den Narben, all den Nähten und Heftklammern und IVs, die in meine Arme gehen und all die Narben, alles. Ich sah mich an und dachte, was für ein verdammtes Wrack ich bin. Was zum Teufel willst du jetzt machen? Was zum Teufel soll ich tun? Ich sitze da, schaue mich an und die meisten Leute hätten wohl geheult und wären voller Selbstmitleid gewesen. Ich nicht. Ich sass einfach da und starrte mich etwa 20 Minuten lang an. Und am Ende dachte ich mir, dass ich nun zwei Möglichkeiten habe: Ich kann voller Selbstmitleid dahinschmollen und all diese Krankenschwestern wischen mir meinen Arsch für den Rest meines Lebens ab, oder ich kann mich zusammenreissen und mit dem Leben weitermachen. Das ist genau das, was ich getan habe. Ich will nicht, dass man mir den Arsch abwischt.

Ich denke, viele Menschen kommen in ihrem Leben an den Punkt, an dem sie diese Wahl haben. Ich weiss nicht, woher das kommt, wie das passiert, aber irgendwann fragst du dich: Nun, was will ich hier machen? Warum will ich das tun? Wo will ich sein? Will ich sitzen, fett werden, alt werden und sterben, oder will ich loslegen und ein paar Dinge erleben? Und ich habe entschieden, dass ich weitermachen und ein paar Dinge erleben wollte und das ist es, was ich getan habe und Snowboarden ist nur ein Teil davon. Also, wenn ich manchmal Leute auf der Piste sehe und sie es immer und immer wieder versuchen, dann gebe ich ihnen immer den Daumen hoch und wünsche alles Gute. Ich sage ihnen: «Mach weiter, mach weiter, Kopf hoch, weitermachen». Und ich denke das verkörpert das Snowboarden wirklich. Du musst nur weitermachen, denn Snowboarden ist eine ziemlich einfache Sache zu lernen; Skifahren ist es nicht. Um ein wirklich guter Skifahrer zu sein, muss man sich lange Zeit nehmen und jahrelang trainieren. Du musst nicht so hart trainieren, um ein guter Snowboarder zu werden. Aber der Lernprozess ist sehr schmerzhaft. Du wirst dich selbst verletzen und es wird peinlich sein, besonders wenn du ein guter Skifahrer warst. Das wird dir nicht gefallen. Du wirst die Tatsache nicht mögen, dass du in einem Schneesport sehr gut warst und dich jetzt wie ein Anfänger aufführst. Auf der Piste bist du zumindest ein Snowboarder, du bist vielleicht kein sehr guter Snowboarder, aber du bist ein Snowboarder, weil du diesen Punkt überschritten hast. Du wirst nicht mehr jedes Mal umfallen, wenn du aufstehst. Du fällst ab und zu um. Das ist Teil des Lebens. Snowboarden finde ich eine fantastische Analogie fürs Leben. Es geht um jene, die es versuchen.

Und wir können auf dem Berg sein. Wir können die Aussicht geniessen, die Du und ich heute gesehen haben; wir können all das mit unseren Kindern geniessen. Wenn meine Tochter mit mir unterwegs ist, kann ich es geniessen, uns einfach auf einen Kaffee hinzusetzen oder einfach nur hinzusetzen und anderen zu zuschauen. Wir geniessen es einfach, es uns anzusehen. Und das ist es, was für jeden zugänglich sein sollte. Alles, was Du und ich oder jemand anderes tun kann, um jemand anderem weniger Glücklichen zu ermöglichen in die Berge gehen zu können, ist einfach phänomenal. Wir haben eine Art Pflicht, das zu tun. Es sollte nicht der Spielplatz der Reichen und Talentierten sein. Es sollte für alle da sein, um zu sein und zu geniessen. Vielleicht, wäre dann die Welt ein wenig anders, wenn jeder kommen könnte, um zu sehen, was Du und ich hier zu sehen bekommen. Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken.

Pascal Kesselmark | board generation

Ich verstehe Deinen Standpunkt. Hier eine sehr einfache Frage: Bist Du glücklich? Hast Du keine schlechten Gefühle über das, was passiert ist?

Genau hier und jetzt bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Ich habe eine tolle Zeit. Mein Weg hierher als Snowboarder war schon ganz abenteuerlich, aber mein ganzes Leben war für mich einziges langes Abenteuer. Ich meine, ich bin fast 53 Jahre alt. Und ich habe ziemlich viel getan, einiges davon war gut, einiges davon war nicht so gut, vor allem ein Tag war ziemlich schlecht (lacht). Aber ich habe auch schlechte Tage, wie jeder andere auch, jeder hat einen schlechten Tag, du hast einen schlechten Tag, wenn du mit dem falschen Fuss aus dem Bett steigst oder deine Frau sauer auf dich ist oder die Kinder dich sauer gemacht haben und du stehst auf und bist mürrisch und unausstehlich in irgendeiner Art. Du kannst sogar einen ganzen schlechten Tag haben, an dem du sogar ins Büro gehst und zurückkommst und du immer noch mürrisch bist und deine Frau zu Hause denkt: Gott, was soll ich mit dem Teufel machen, einen trinken, die Klappe halten, ins Bett gehen. Und es gibt Tage, an denen es mir und anderen Menschen wie mir, die körperlich behindert oder geistig behindert sind, nicht so gut geht. Es ist schwieriger, damit umzugehen und manchmal wird es intensiver. Du und ich steigen beide aus dem gleichen Bett und du kannst einen schlechten Tag haben und ich kann einen schlechten Tag haben. Mein schlechter Tag ist nicht schlimmer als deiner, er ist nur intensiver, denn ich habe so viele andere Dinge zu erledigen, wie einfach nur duschen, auf die Toilette gehen, ein Gebäude betreten, in ein Auto zu steigen, aus dem Auto zu steigen; all diese Dinge tragen zu deinem schlechten Tag bei. Man steigt nicht nur ins Auto, man muss auf eine bestimmte Art und Weise ins das Auto einsteigen, weil man eine Behinderung hat. Und das ist das Einzige, was wirklich zählt. Wir sind einfach normal. Alles ist normal, nur ein kleines bisschen intensiver, nur ein kleines bisschen. Und so liegt es manchmal an mir – für mich jedenfalls – wie ich mit meiner PTBS umgehe. Es ist scheisse, aber trotzdem nicht so schlimm, denn niemand wird sterben und ich war in Situationen, in denen Menschen gestorben sind. Das war damals, das ist jetzt, und du machst einfach weiter, machst mit dem Leben einfach weiter. Es ist hart, das Leben ist hart, niemand sagte, dass das Leben einfach sein würde. Geniesse einfach dein Leben so gut du kannst. Es ist hart. Es ist definitiv hart und einige Leute haben es härter als andere. Tu, was du kannst, um ein Lächeln auf dein Gesicht zu zaubern, was auch immer das kostet, setze ein Lächeln auf dein Gesicht.

Du hast gesagt, du hast eine 16-jährige Tochter. Bist du verheiratet?

Ich bin geschieden und meine Tochter heisst Isabel. Sie ist grossartig. Sie ist Skifahrerin, will aber Snowboarden lernen. Um ehrlich zu sein, sie hat gar keine Wahl. Aber sie will auch Snowboarden und das ist toll. Und hoffentlich bekomme ich diese Saison die Chance mit ihr irgendwo hinzufahren und zu boarden, möglicherweise Weihnachten. Sie liebt es in den Bergen zu sein und wir haben einen ähnlichen Sinn für Humor und auch einen ähnlichen Geschmack für Freude. Wir beide finden einige Dinge gleichermassen angenehm, zum Beispiel die Berge zu betrachten.

Du arbeitest auch als Schauspieler?

Ich versuche ein Schauspieler zu sein. Ich weiss nicht, ob ich wirklich gut bin, mache es aber seit 20 Jahren. Ich denke, der richtige Begriff ist professioneller Nebenkünstler für spezielle Rollen. Ich bin aber auch Schauspieler und habe Bühnenarbeiten und Bühnenproduktionen in Londons West End gemacht. In verschiedenen Filmen bin ich auch aufgetreten. Manchmal spreche ich einen Teil, manchmal auch nicht. Ich bin sehr gut darin, in die Luft gejagt zu werden, dank meiner praktischen Erfahrung. Durch mein Alter bekomme ich nun die älteren Rollen zugesprochen, aber ich geniesse es zu schauspielern und den Nervenkitzel. Es ist manchmal intensiv, nervenaufreibend, es ist wie ein grosser Kicker, den man noch nie zuvor gefahren ist. Auf die Bühne zu gehen und einige Zeilen zu liefern, ist sehr beängstigend, aber es macht Spass.

Darren "Swifty" Swift | board generation Auf der Bühne von ‚Blue on Blue‘ im Londoner West End

Du bildest auch noch beim Militär aus?

Ja, auch im Ausland, ich glaube nicht, dass ich schon für die Schweizer Armee gearbeitet habe. Aber für die Deutschen, Franzosen, Niederländer, Dänen, Schweden, Norweger. Ich selbst und einige andere Jungs gehen dahin und lassen uns für sie in die Luft jagen, zeigen ihnen, wie man mit jemandem umgeht, der auf dem Schlachtfeld seine Beine verloren hat. Im Wesentlichen ist es das. Wir fingen an dies für die britische Armee zu tun und tun es immer noch. Es ist wie als würden wir ein wenig dafür zurückzahlen, dass sie uns geholfen haben zu überleben. Jetzt können wir anderen Menschen helfen zu überleben und wir haben viel Spass dabei. Und die Bezahlung ist ziemlich gut; in die Luft gejagt zu werden, kann profitabel sein.

Darren "Swifty" Swift | board generation Am Filmset von „Monuments Man“

Ich nehme an, Du bekommst eine Pension?

Ja, ich habe eine Armeepension. Sie ist nicht toll, da sie immer wieder reduziert wird. So sorgen halt die Briten für dich.

Ich habe auch gehört, dass das britische Gesundheitssystem zwar günstig ist, aber man wartet sehr lange auf Behandlungen. Ist dem so?

Für einen Rentner der britischen Armee ist es eigentlich in Ordnung, weil sie sich um dich kümmern. Wir werden bevorzugt behandelt, was vielleicht für viele Menschen unfair scheint; andere Leute sind aber der Meinung, dass es so sein sollte. Über das NHS werden die Briten sich immer beschweren und das zu Recht, weil es einige Mängel hat, aber im Grossen und Ganzen hat das NHS mehr Vor- als Nachteile. Es funktioniert und andere Länder versuchen es zu kopieren, dann kann es ja auch nicht so schlecht sein.

Was ich im Interview herausgehört habe, ist, dass wenn Du Dich langweilst, Du nach einer neuen Herausforderung suchst. Denkst Du nicht, dass Snowboarden Dich eines Tages langweilen könnte?

Nicht im Geringsten, ich bin nicht einmal in der Nähe davon. Ich verstehe aber, wieso Du dies frägst, ich habe mich auch schon ein paar Mal gefragt. Was war zuvor passiert, dass ich mich dabei langweilte? Wie kann man sich beim Fallschirmspringen langweilen? Es langweilte mich nicht wirklich, ich habe es einfach nicht mehr geliebt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich das erreichen würde, was ich erreichen wollte und ich fühlte, dass es noch etwas anderes zu tun gab; Snowboarden war es. Ich sehe nicht, dass ich jemals mit dem Snowboarden aufhören werde, aber offensichtlich muss ich irgendwann mit dem Wettkampf-Snowboarden aufhören. Aber ich möchte weiterhin anderen Leuten beibringen, wie man, mit welcher Behinderung auch immer, snowboardet, aber ich weiss nicht, was als nächstes kommt. Ich liebe es, auf Expeditionen zu gehen, an Orte, wo ich noch nie zuvor war und jemand hat mich kürzlich gefragt: „Hast Du Lust, den Amazonas im Kanu hinunter zu fahren?“. Es wurde schon oft gemacht, aber diese spezielle Reise wäre etwas Besonderes und ich denke, dass ich es wahrscheinlich machen werde. Ich werde aber nicht mit Snowboarden aufhören. Ich liebäugle auch mit Speed-Flying, aber ich weiss nicht genau, wie das für mich mit einem Snowboard funktionieren würde, weil ich mich auf dem Snowboard ja nicht in Fahrtrichtung drehen kann. Ich weiss aus meiner Erfahrung im Fallschirmspringen, dass wenn man das Gurtzeug verdreht, sich die Form der Schirmkappe verändert. Aber weisst du was, ich mag Herausforderungen und wir werden dafür eine Lösung finden. Sowas wäre ganz cool und alles, was mit den Bergen zu tun hat, ist gut für mich. Ich fühle mich immer gesünder, besser und sauberer, wenn ich hier oben in den Alpen bin. Grossbritannien ist grossartig, aber ich lebe auf Meereshöhe und wenn man es genau nimmt, lebe ich sogar ein paar Meter unter dem Meeresspiegel.

Es ist das Gleiche für mich. Ich liebe es aus der Stadt zu flüchten und in die Berge zu gehen. Es ist die frische Luft, die Sonne und die Weitsicht. Das Problem habt ihr ja in Grossbritannien nicht. Wenige Berge und Hügel bedeuten auch, dass man ziemlich weit sehen kann.

Ich wohne im Lake District, habe die Berge hinter mir und direkt vor mir das Meer. Ich geniesse es, oben in den Bergen zu sein. Ich gehe nicht oft genug, aber ich geniesse es, einfach nur hoch oben zu sein und die Gelegenheit zu haben, nach unten zu schauen. Aber als Amputierter oder behinderter Mensch in dieser Umgebung zu sein, ist an sich schon eine Herausforderung und speziell in Europa in den Bergen zu sein, ist eine noch grössere Herausforderung. Vor 20 Jahren hier in Österreich war es schwierig. Es hat sich aber massiv verbessert und ich habe noch nie eine einladendere Gemeinschaft getroffen, als die Bewohner der Alpen. Es ist einfach fantastisch und die Leute sind erstaunt, dass jemand im Rollstuhl, mit kurzen Beinen oder ohne Beine an ihren Ort gekommen ist, um die Berge zu sehen. Die Leute gehen auf Lee und mich zu, nur um Hallo zu sagen. Das ist grossartig. Das ultimative Ziel ist es aber, dass sich in Zukunft niemand mehr darum schert, ob jemand mit oder ohne Beine auf dem Berg geht.

Ich glaube nicht, dass es bald passieren wird.

Vielleicht wirst Du dies nicht mehr erleben. Aber wäre es nicht eine coole Sache, wenn es eigentlich niemanden mehr interessieren würde, weil es ganz selbstverständlich ist? Was ist daran so seltsam? Ich würde mich auf diesen Tag freuen, falls wir es jemals erleben werden.

Die Zeit wird es zeigen. Wettkampfmässig machst Du ja nicht Boardercross, sondern Banked Slalom. Das ist die, sagen wir mal nett, die zahmere Version.

Ja, es ist nicht so aggressiv und mörderisch wie Snowboard Cross SBX. Denn SBX ist schnell, aggressiv und bösartig, aber es ist grossartig.

Pascal Kesselmark | board generation

SBX ist grossartig für die Jungen. Aber sagen wir mal für 40-Plus bevorzuge ich einen schönen Banked Slalom.

Ja, da denken wir gleich. Ich bin ein paar SBX mitgefahren und sie sind toll. Ich bin gegen sechs oder fünf Leute angetreten und es hat Spass gemacht. Aber Du musst verstehen, dass ich die gefederte Bindung nicht hatte. Einige der Sprünge haben ziemlich eingeschenkt, ich hatte schwere Unfälle und einige ziemlich heftige Zusammenstösse. Ich nehme nur dann an einem SBX-Rennen teil, wenn die Sprünge nicht zu bösartig sind. Aber ich denke, dass ich eine reale Chance habe, etwas zu gewinnen. Ich liebe Banked Slalom; es ist grossartig. Ich bin nicht brillant dabei und könnte viel schneller sein. Banked Slalom sind der richtige Weg und in mancher Hinsicht natürlicher als SBX, da SBX nur durch moderne Technologie möglich ist. Hingegen Banked Slalom die reine Essenz des Snowboardens ist. Ich geniesse es wirklich Banded Slalom zu fahren und ich empfehle jedem, es zu versuchen. Es fordert dich heraus.

Ich habe in den 90er meinen letzten Boardercross wettkampfmässig in der ISF gefahren. Wenn ich mir die Bilder der letzten Olympischen Spiele anschaue, dann glaube ich nicht, dass ich es dort über den Kurs geschafft hätte.

Da bringst Du einen fantastischen Punkt auf. Ich war einige Male in Breckenridge, Colorado und einige der grössten Snowboarder der Welt sind dort, wie Shaun White über Travis Rice bis Danny Davis. Alle waren da und sassen abends wie wir in der gleichen Bar. Sie haben mich tagsüber boarden gesehen und waren völlig ausser sich, dass ein Typ ohne Beine am boarden ist. Sie fanden das cool und kamen rüber zu uns und wir fingen zu plaudern an. Tatsächlich sagt fast jeder Einzelne von ihnen, dass er es leid ist, all die grossen Kicker zu sehen und die grossen Halfpipes mit 7, 8 Meter Seitenwänden. Diese werden so gross wie möglich gebaut, um zu beeindrucken, denn die Sponsoren und Fernsehleute wollen sehen wie jemand stirbt. Sie wollen sehen, wie sich jemand das verdammte Genick bricht.

Es ist wie die Formel 1. Dort schaut man auch nur wegen der Unfälle…

Ja, genau. Ich mag diese Mentalität nicht mehr sehen, sie ist dumm. Lasst uns einige dieser Sponsoren-CEOs und Werbeheinis hier draussen haben und auf eine 7-Meter Halfpipe schicken. Dann fahren diese Manager zuerst und sagen uns dann, dass das eine gute Sache ist. Natürlich werden sie es nicht tun, weil sie nicht einmal Boarder sind. Sie werden es nie sein, sie würden nicht einmal im Traum in die Berge gehen, vor allem, wenn sie keinen Nerzmantel dabei tragen können. Ich übertreibe bewusst, aber Du weisst, was ich meine. Warum also sollten wir potenzielle Talente auszuschliessen? Okay, es kommen immer ein paar Kids hoch und ein paar von ihnen könnten es sogar in eine Eliteauswahl schaffen, aber nur die besten Kids werden es bis zur 7-Meter hohen Halfpipe schaffen, aber… Wie viele andere Kids hätten es geschafft, wenn sie einfach auf einer 2-, 3- oder 4-Meter Halfpipe begonnen hätten? Welche Talente haben wir dadurch verpasst? Sie hätten sehr gut darin sein können, sind aber aus Frust in eine andere Sportart gewechselt. Vielleicht hätten sie auch nichts getan und sowieso nur am verdammten Bildschirm geklebt. Du weisst, was ich zu sagen versuche und das haben auch die Spitzenboarder mir bestätigt, als wir zusammen einen Drink hatten. Die gurkt das enorm an. Die werden weiterhin die X-Games und so tun, weil sie dafür viel Geld bekommen. Aber was sie wirklich machen wollen, ist Kids anzufeuern, die eine 2-Meter Halfpipe fahren. Einen Dreijährigen, der eine Halfpipe hochfährt. Jetzt erlauben wir es nur denen, die eine 6- oder 7-Meter Pipe fahren können. Und damit schliessen wir Menschen aus. Also, ich stimme einigen der grossen Jungs zu. Obwohl ich ja keiner der «Grossen» bin. Lass uns einfach zu den Wurzeln zurückkommen. Lasst uns ehrlich werden. Seien wir realistisch. Lasst uns ein paar Leute reinbringen und alle dazu bringen, den Sport zu geniessen. Jeder sollte eine Gelegenheit haben. Ich mache es in Laax. Da ist eine kleine 2 Meter Pipe und dann gibt es noch die grosse 7 Meter Pipe. Yeah! Meine Freunde und ich verbringen den ganzen Tag in der kleinen Pipe. Aber weisst du, wir haben Spass und werden immer besser. Die Mehrheit der Leute fährt in der kleinen Pipe. Jemand sollte sich fragen, wieso die Leute nicht in der grossen Pipe fahren, die im Unterhalt jede Saison tausende kostet…

Sie wollen nicht im Spital landen.

Genau. Also sind wir den ganzen Tag in der kleinen Pipe und ich bin irgendwie ein echter Fan davon. Jetzt habe ich vor lauter Quatschen vergessen, was deine Frage war…

Pascal Kesselmark | board generation

Kein Problem. Wir sprachen über Banked Slalom und dann SBX.

Für mich ist Banked Slalom ein schöner kleiner Wettkampf, der natürlicher ist als vielleicht SBX. SBX ist grossartig und es ist das, was uns Sponsoren und das grosse Geld bringt, Banked Slalom nicht. Die Sponsoren sind nicht wirklich interessiert daran, und weisst Du wieso? Es ist roh, so natürlich. Wie Kanufahren und ich liebe Kanus aus dem einfachen Grund, weil sie einen natürlichen Weg benutzen, um von A nach B zu gelangen. Im Banked Slalom gibt es eine Schlucht mit einigen Kehren, die man benutzen muss, um in einem Stück nach unten zu kommen. Und das machst Du auf einem Stück Holz. Wie simpel ist denn das?

Da stimme ich Dir zu. Und wir wissen ja, was die meisten alten Pros heutzutage zum Spass machen. Sie fahren nicht Riesenslalom, Slalom, SBX oder in der grossen Pipe. Nun, bei der Pipe gibt es ein paar Ausnahmen… Wenn, dann sie sich messen wollen, dann beim Banked Slalom.

Was ist mit Off-Piste? Ist es für Dich auch ein Thema?

Ja, aber ich habe es in Tahoe etwas übertrieben, es hatte enorme Powdermengen und ich hatte etwas zu viel Spass. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich mich aus dem Pulver herausgebuddelt hatte. Ich liebe es Off-Piste zu fahren. Ja, aber nur wenn ich wieder einfach zurück zur Piste komme, sonst habe ich ein Problem. Sich mit diesen Füssen auszugraben ist ein Albtraum. Deshalb mag ich Orte wie Val D’isere, wo man jederzeit abseits der Piste fahren kann. Eines Tages würde ich gerne Heliboarden, aber vielleicht nicht die grossen Gipfel mit den grossen Lawinen. Ich glaube, das geht über meine Fähigkeiten hinaus, aber was noch wichtiger ist, ich bin mir nicht sicher, ob ich so etwas geniessen würde. Jedoch ein paar Sachen zu machen, die im unberührten Outback möglich sind, würden mich wirklich interessieren. Aber ich verstehe, dass es ein Sicherheitsproblem gibt. Um mich mach ich mir gar keine Sorgen. Ich meine für die Menschen, die mich eventuell retten müssten. Ich will nicht, dass jemand kommen muss, um mich aus einer verzwickten Situation zu holen, die ich hätte vermeiden können, wenn ich nur vernünftig gewesen wäre. Also warte ich darauf, dass die Zeit kommt, in der ich wirklich kompetent genug bin, um das zu tun, ohne zu viel Mühe zu bekommen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon da bin, aber ich liebe es abseits der Piste. Ja, ich weiss, dass es immer Diskussionen wegen dem Off-Piste-Fahren gibt. Aber ich geniesse es und ich habe es auch in der Schweiz genossen, als ich in Laax ein wenig abseits der Piste gefahren bin. Ich hatte eine fantastische Zeit.

Pascal Kesselmark | board generation

An welchen Orten warst Du schon am Snowboarden?

Nun, in 2017 hatte ich sehr viel Glück. Wegen Sponsoring und der paraolympischen Sache. Ich bin tatsächlich mit dem Snowboard um die Welt gefahren. Das war fantastisch. Wir haben hier in Europa angefangen, dann gingen wir nach Korea, danach nach Kanada / Amerika und zum Schluss landete ich in Neuseeland. Ich betrachtete es als Erfolg, dass ich mit dem Snowboard die Welt bereisen konnte.

Wo würdest Du empfehlen, als Behinderter Snowboarden zu gehen?

Wenn du ein behinderter Mensch wärst, und Du mich fragen würdest, wohin Du gehen sollst, würde ich wahrscheinlich sagen, dass Du in die Staaten gehen musst. Ja, weil sie ausgerüstet sind. Sie haben die Möglichkeit uns Unterzubringen und einfachen Zugang zu den Pisten zu geben, abhängig von Ihrer Behinderung. Europa ist viel schwieriger und wir liegen hier zurück. Wir sind im Rückstand und es gibt nicht viel, was wir im Moment dagegen tun können, aber ich bin ein grosser Befürworter von Resorts, wo mindestens jedes Hotel ein oder mehrere rollstuhlgängige Zimmer für Menschen mit Behinderungen anbieten können. Heute ist es bereits eine massive Verbesserung gegenüber vor 20+ Jahren, und ich gebe dir ein Beispiel als eine Art Horrorgeschichte, als ich in Sölden war. Es war 1992 oder 93 in Sölden und wir mussten die «Liftler» bestechen, um die Gondel zu verlangsamen, damit wir diese gemeinsam benutzen konnten. Eigentlich fragten wir, ob sie die Gondel zum Einsteigen stoppen könnten, doch sie sagten nein; also gaben wir ihnen zweihundert Zigaretten und eine Flasche Scotch. Aber sagten uns, wenn wir dann nicht einsteigen können, dass es das dann gewesen war. Du gehst dann nicht auf den Berg. Das war Sölden, ein ziemlich grosses Resort. Hmm, das musst Du Dir mal vorstellen. Aber wir sind alle hochgekommen, aber das ganze Resort wollte uns nicht dort haben. Es war offensichtlich, dass wir in den Bars und Restaurants verpönt waren, sobald wir hereinkamen. Man konnte es den Leuten ansehen, denn sie mussten Platz für die Rollstühle schaffen, aber zum Glück ist das längst vorbei. Österreich hat sich verändert. Ich war überall in Österreich und das hat sich enorm verändert. Aber es gibt noch viel mehr zu tun, Zugänglichkeit, Unterkunft, ein Teil des Zugangs zu den Pisten könnte für Menschen mit Rollstühlen oder mit anderen Behinderungen sowie für Blinde, einfacher gemacht werden, also gibt es noch viel mehr zu tun. In Amerika und Kanada haben sie es vor Jahren getan. Europa ist am Aufholen, aber Schottland ist noch schlimmer. Dort denkst Du: „Mein Gott, das ist ein anderes Jahrhundert“. Alles ist einfach so veraltet. Es tut mir so leid, aber es ist wirklich so. Es ist noch ein langer Weg, aber ich weiss, dass wir es schaffen. Ich weiss, dass wir die Norweger mit Lillehammer geholt haben. Die Skandinavier sind immer vorausschauende Menschen. Und ich weiss, dass die Österreicher und die Schweizer definitiv auch so sind, Frankreich ist in Ordnung, einige der Resorts sind gut, aber nicht brillant. Es muss mehr Arbeit geleistet werden, wenn sie die Kunden mit Behinderungen erreichen wollen, und es ist ein wachsender Geschäftszweig, denn Menschen mit Behinderungen werden immer abenteuerlustiger, so wie ich. Sie wollen sich nicht nur im Skisport, sondern auch im Schneesport engagieren, und wenn Unternehmen, Organisationen und Unterkünfte dies unterstützen, erhalten sie ihren Anteil an Euro, Pfund oder Schweizer Franken, wie auch immer wir es nennen wollen.

Pascal Kesselmark | board generation

Heute würde ich Nordamerika empfehlen, wenn es um Ihre Frage nach einigen der besten Orte geht, an denen ich bisher war. Breckenridge ist mein absoluter Favorit. Aber in letzter Zeit, aus eigener Erfahrung, darf ich auch Wanaka auf der Südinsel Neuseelands sagen. Es ist absolut fantastisch. Sie haben eine grossartige Landschaft. Sie nennen es die Südalpen und es ist den Alpen gleichgestellt; anders, nicht so gross, aber absolut ein fantastischer Ort zum Leben mit wirklich netten Menschen. Die Resorts sind vielleicht nicht so fortgeschritten wie hier, aber sie sind gut, und man könnte einige tolle Ausflüge machen, und ich würde empfehlen, dorthin zu gehen. Und ich muss Lake Tahoe erwähnen. Hier in Europa würde ich Stubai sagen und ich bin wahrscheinlich verpflichtet, Laax zu sagen. Du wirst mich wahrscheinlich dafür schlagen, aber für Verbier habe ich ein kleines Faible, aber es ist so unglaublich teuer.

Das ist okay. Die Briten lieben Verbier, die sitzen alle da oben.

Ja, die Reichen. Aus diesem Grund gefällt es mir nicht. Was ich an Verbier mag, das mag dekadent tönen, sind die Plätze. Es ist aber nicht so schön wie Crans Montana, was ruhig, schön, einfach gut ist. La Plagne in Frankreich, nicht weil es hübsch ist, aber es hat etwas für jeden egal was seine Fähigkeiten sind und für jede mögliche Familiengrösse. Die Liste geht noch weiter, ich könnte fast überall empfehlen Boarden zu gehen.

Welche Orte stehen auf deiner Wunschliste?

Freunde von mir gingen nach Südamerika, nach Argentinien und es gibt dort ein grosses offenes Gelände, das sie lieben und ich würde gerne dorthin fahren. Ich war noch nie in Südamerika und würde gerne irgendwo hingehen, wo noch niemand vorher war oder wo nur sehr wenige Menschen hingehen, wie zum Beispiel in den Iran. Oder was ist mit China? Natürlich gingen alle nach Japan wegen des Powders und ich würde das gerne eines Tages machen, aber vorher möchte ich in den Iran oder nach China oder Usbekistan gehen oder irgendwo, wo die Leute normalerweise nicht fahren gehen. Ich werde diesem Land die Idee des Boardens vorstellen, nicht nur des Boardens, sondern auch des Boardens ohne Beine. Das wäre eine tolle Sache. Der Kilimanjaro wäre auch cool, aber ich weiss nicht, ob es da oben noch genug Schnee gibt, wie vor 20 Jahren. Aber der Kilimanjaro ist jetzt tot, jeder war schon da oben, aber vielleicht ein paar andere Berge. Ich weiss, dass Mt. McKinley in Alaska befahren wurde, aber das wäre eine tolle Sache. Ich bin in Alaska gefahren und das nur zum Spass in der Stadt, eigentlich in Anchorage. Hawaii, wäre auch toll, es gibt nur ein kleines Stück Schnee auf einem Hügel für eine Fahrt von etwa fünf Minuten, aber wäre das nicht toll, um dort zu boarden. Ich liebe Expeditionen. Ich mache gerne Expeditionen. Also habe ich oft an etwas in der Arktis oder Antarktis gedacht. Ich weiss, dass die Leute es schon einmal mit Kites gemacht haben und sie haben es auf Skiern gemacht, ich bin mir nicht sicher, ob es jemand auf einem Snowboard gemacht hat. Ich denke, es wäre eine ziemlich interessante Sache, zum Südpol oder Nordpol zu boarden und es ist schon ziemlich schwer für einen Mann mit Beinen. Und ja, das wäre eine echte Herausforderung. Ich war ein Hundeführer im Militär. Also wären Huskies und so kein Problem. Ich habe mich gefragt, ob es einen Kerl geben würde, der mit einem Team von Huskies und Skiern und mir mit meinem Snowboard und einem Kite fahren möchte, und wir helfen uns gegenseitig, um dorthin zu gelangen. So etwas in der Art. Wenn weisses Zeug auf dem Boden liegt, werde ich es versuchen. Alles in angemessenem Rahmen.

Hast du noch einen Hund?

Nicht im Moment, da mein letzter Hund vor kurzem gestorben ist. Und so habe ich Kibby nicht mehr. Aber der Hund, der mit mir in die Luft gejagt wurde, Troy ein Deutscher Schäferhund, starb vor über 15 Jahren. Er starb schliesslich im hohen Alter, weil er mich in die Luft jagen liess. Er wurde verletzt, als er in seinem Käfig war. Er erholte sich, aber er konnte nicht mehr für die Arbeit eingesetzt werden. Also fragte mein Chef, ob wir ihn einfach behalten wollen. Ich sagte ja und so kam er zu mir und er lebte weitere 12 Jahre bei mir. Er ist in meinem Garten begraben. Troy war mein Junge.

Darren "Swifty" Swift | board generation Swifty und Troy

Wofür wurde er ausgebildet?

Als Spürhund. Wir haben Leute verfolgt. Als ich in die Luft gejagt wurde, war der Typ, der starb, Geordie, vom AES – Arms Explosive Search. Er suchte mit seinem Hund nach Bomben und Waffen und dann würden Troy und ich die Leute finden, die sie dort versteckt hatten. Das war das Prinzip. Es hat nicht immer so funktioniert. Troy war also ein Personenspürhund und suchte nach Menschen und wir waren ziemlich gut darin. Er war ein guter Deutscher Schäferhund. Ich will keinen Deutschen Schäferhund mehr und werde keinen anderen haben, denn wenn ich einen hätte, würde ich mir immer wünschen, dass es so wäre wie vorher, und das wäre unfair gegenüber diesem Hund und unfair gegenüber mir. Troy war Troy. Und das ist vorbei. Ich mache nun etwas anderes.

Das hört sich richtig an.

Da draussen gibt es einiges zu tun. Es gibt viele andere Dinge, die es sicher im Schauspielern zu entdecken gilt, das will ich immer noch fortsetzen, aber ich will weiter snowboarden. Im Moment bin ich ziemlich erfolgreich, meine beiden Jobs aufrechtzuerhalten. Wenn ich Geld mit Schauspielern verdienen will, muss ich das Snowboarden vernachlässigen, wenn ich mit dem Snowboarden erfolgreicher sein will, muss ich die Schauspielerei reduzieren, also gibt es ein kleines Problem, aber das ist ein Luxusproblem. Aktuell arbeite ich daran, dass ich vielleicht 2022 bei den Paralympics in Peking dabei bin. Ich würde mir gerne vorstellen, dass ich teilnehmen könnte. Wenn ich es nicht kann, stelle ich mir vor, dass ich jemanden trainieren könnte, dort zu sein. Und wenn das nicht passiert; nun, so sei es und das ist in Ordnung. Aber weisst du was? Dann habe ich alles Mögliche versucht.

Pascal Kesselmark | board generation

Du eröffnest jetzt die Möglichkeit für weitere Leute, aber ich weiss nicht, ob jemand ausserhalb des Vereinigten Königreichs oder sogar innerhalb weiss, dass du existierst und was du tust. Du warst sogar auf dem Cover des Access Magazine (Disability Without Limits), aber es hat auch eine begrenzte Leserschaft.

Nun, für mich tue ich alles Mögliche, um meine Bekanntheit voranzutreiben, aber für mich war wichtiger, dass Lee mit Boarden angefangen hat. Damit hat er bestätigt, dass ich nicht nur ein Idiot mit einer grossen Nase und einer verrückten Idee bin, der Snowboard fahren kann, und die Tatsache, dass ich es ihm beibringen konnte, ist real. Und das war ein grosser Erfolg für mich. Es hat mich viel besser fühlen lassen, dass ich nicht nur dieser Kerl bin, der einfach nur versucht, diese dumme, verfi**te Idee des Snowboardens zu machen. Es hat wirklich etwas bestätigt. Wenn ich die Paralympics nicht schaffe, wenn ich es nicht dorthin schaffe und es besteht eine Wahrscheinlichkeit, wobei ich das nicht zu laut sagen sollte. Aber es ist mir egal, solange es jemand anderes, wegen meiner Pionierleistung, in der Zukunft dorthin schaffen könnte. Ich denke, deshalb haben wir Kinder; du willst etwas zurücklassen. Du willst einen Unterschied gemacht haben. Vielleicht wollen wir alle denken, dass wir einen Unterschied machen konnten, wenn wir abtreten. Ich würde gerne denken, dass der letzte Gedanke sein wird, dass ich einen Unterschied gemacht habe. Und ich denke, dass alles wieder auf den Moment vor dem Spiegel im Krankenhaus zurückkommt, wo ich die Wahl hatte, nichts machen müssen und jemanden mir das Leben lang den Arsch abgewischt hätte oder weiterzumachen, um etwas zu erreichen und vielleicht ist es genau das. Vielleicht ist es das, was es ist. Ich weiss es nicht, aber ich bin jetzt in dem Augenblick ein glücklicher Mann. Ich habe ein gutes Leben und geniesse das Leben in vollen Zügen.

Pascal Kesselmark | board generation

Von Swifty werden wir noch mehr hören. Er wird regelmässig in einer eigenen Rubrik etwas über seinen Weg nach Peking, zu seinen Kumpel oder allgemein zum Snowboarden zu schreiben. Wir können gespannt sein.

Geschrieben von

Chefredakteur und Snowboarder seit 1985.

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