Viele Wintersportgebiete führen am Ende der Wintersaison einen sogenannten Clean-up Day durch. Die Idee dahinter ist nach der Schneeschmelze den Abfall des Winters einzusammeln und zu entsorgen. Board Generation nahm in Laax teil, wo dieser Anlass schon zum siebten Mal durchgeführt wurde, um zu sehen, wie so etwas funktioniert und wer an einen solchen Anlass kommt.
Sonntag, 6 Uhr und ich muss aufstehen, um den Abfall anderer Leute aufzusammeln und nicht, um meine Linien als erster in einen Hang zu ziehen. Schweigend sitze ich auf der Bettkannte und verfluche diese Idee ein paar Sekunden lang, jedoch hilft eine heisse Dusche, so dass ich meine Kinder wecke und mich ohne weiteres Nachgrübeln auf den Weg nach Laax mache. Dort angekommen, sind wir Drei ein Teil von Hunderten von Helfern und fassen den vorbereiteten Lunch, Einweghandschuhe und Abfallsack.
Insgesamt sind diese Jahr 310 Helfer vor Ort und wollen den Abfall des Saison entfernen, bevor die Flora alles überwachsen hat und die Kühe dann irgendwelchen Sch**ss essen. Der Clean-up Day ist so populär, dass man dieses Jahr neu eine Teilnehmerbeschränkung einführen musste, da letztes Jahr die über 450 Helfer die Organisation an ihre Grenzen brachten und wahrscheinlich auch, weil es einfach zu viele Helfer für zu wenig Abfall hatte…
Da die Sommersaison erst eine Woche später anfängt, haben wir die Gondelbahn für uns. Nichts desto trotz wird diese auch jetzt richtig schön voll gemacht. Wieso soll es im Sommer anders als im Winter sein. Zumindest konnte man nicht mehr umfallen.
Die „uncoolen“ im Winter sind die Coolen vom Sommer
So und jetzt müssen wir mal Tacheles reden! Wo sind all die „coolen“ Boarder und Freeskier, welche Laax im Winter ihr zweites Zuhause nennen? Wahrscheinlich bräunen alle ihren Allerwertesten auf Bali oder Hawaii und posten Updates auf Instagram. Denn zum Aufräumen sind diese nicht erschienen. Ja, es gab ein, zwei Boarder, aber sonst waren die meisten Teilnehmer Familien oder lokale Skiclubs.
Das kann es doch nicht sein. Wenn ihr schon den Dreck produziert, dann investiert doch zumindest einen Sonntag im Dienste der Allgemeinheit, um eure Sch**sse auch wieder wegzuräumen. Das hat mir schon zu denken gegeben.
Nun ja, vielleicht wollten viele sich noch irgendwann anmelden und konnten wegen der Teilnehmerbeschränkung nicht, aber trotzdem war dies sehr ernüchternd und enttäuschend.
Und nun sind die Leute, welche den Abfall wegräumen, nicht diejenigen, welche ihn produziert haben. Und nein, auch wenn eine Saisonkarte (zu) teuer ist, bedeutet dies nicht, dass man den Abfall einfach auf der Piste entsorgen kann. Und jetzt stecke ich die Moralkeule wieder ein.
Kohle und Kippen
Nachdem sich alle Teilnehmer auf dem Berg eingefunden und ihre Gruppe gefunden hatten, wurden die Einsatzgebiete erklärt. Unsere Gruppe war für die Piste 52 zuständig und wer schon in Laax war, weiss, dass dort der „kleine“ Spielplatz der Boarder und Freeskier ist.
Es waren nicht nur Erwachsene am Aufräumen, sondern auch viele Kinder. Nach einigen Minuten hörte man dann regelmässig: „Hurra, ich habe Geld gefunden!“. Dies hat dann die anderen Teilnehmer animiert noch intensiver den Boden abzusuchen und so haben bis am Mittag fast alle Teilnehmer ihre paar Münzen gefunden. Ich schätze, dass macht Reto Gurtner so mit Absicht. Er streut am letzten Tag im ganzen Skigebiet ein paar Münzrollen, um den Teams die notwendige Motivation zu geben. Und falls nicht, dann wäre dies doch ein Idee, oder Reto?
Ich muss auch zugeben, dass mir das Finden von Geld im Gegensatz zum Einsammeln von Hunderten von Zigarettenkippen (nein, die kompostieren seeeehr lange nicht) viel mehr Spass machte. Nochmals zurück zu den Zigarettenfilter. In Laax gibt es sogar mobile Aschenbecher. Wieso muss man die Kippen dann in die Piste werfen? Eine einzige Kippe verunreinigt rund 40 Liter Grundwasser!
Mir ist übrigens auch aufgefallen, dass Kaugummi und Pflaster komplett „neuwertig“ aussahen, als ich diese aufgesammelt habe. Es wird 5 Jahre dauern, bis ein Kaugummi zersetzt ist, in der Höhe wahrscheinlich doppelt so lange.
Bei mir kamen übrigens 2 US-Cent und 7 Franken zusammen. Das deckt zwar nicht im Geringsten die Benzinkosten ab, aber man macht dies ja auch aus Idealismus. Was ich mich aber wirklich frage, ist, wieso es soviel Münz auf der Piste hat. Scheinbar haben viele Wintersportler die Münzen im Hosensack und vergessen diesen zu schliessen und dann passiert es. Oder eben doch Reto…
Finden von Qi und anderen Skurrilitäten
Für mich war der Clean-up Day sehr speziell. Da ich auch im Sommer ab und zu in den Bergen unterwegs bin, war das trotzdem eine ganz neue Erfahrung. Normalerweise habe ich in den Bergen immer ein Ziel vor Augen. Das heisst von A nach B so schnell wie möglich durchzukommen/klettern. Beim Clean-up Day war diese Unrast nicht vorhanden. Man hat sich seinen Pistenabschnitt ausgewählt und versucht sich anhand der Topologie die Piste im Winter vorzustellen. Piste ist gleich Leute, ist gleich möglicher Abfall. Und so Schlendert man einen 20 Meter breiten Sektor die Piste hinunter und schaut die meiste Zeit nur auf die zwei, drei Meter vor sich; bereit die nächste Anomalie auf der Weide zu finden und ein weiteres Stück Abfall einzusammeln. Ich muss eingestehen, dass dies eine recht meditative Stimmung bei mir gab. Die Gedanken waren frei, so wie nach ein paar Minuten Joggen, wenn ich manchmal nicht mal mehr weiss, wo ich nun durchgerannt bin. Und genauso ging es mir hier. Plus, dass man hier wirklich etwas Gutes für die Umwelt tut.
Eigentlich hätte ich gerne eine verlorene GoPro oder ein fettes Bündel Geldnoten gefunden, dem war aber nicht so. Es gab wie bereits erwähnt, Hunderte von Kippen, jedoch auch viele Bindungsteile und sogar noch ungeöffnete PET-Flaschen mit Kohlensäure drin. Auch wurde von uns der obligate Schlüsselbund gefunden. Bin gespannt, ob der noch abgeholt wird oder ob der Besitzer diesen schon abgeschrieben hat.
Den skurrilsten Fund hatte jedoch ich selbst. Habe ich doch noch ein Säckchen mit feinstem veganem Tabak gefunden. Luftdicht verschlossen. Der süsslich Geschmack bei der Geruchsprobe bestätigte dann den Inhalt. Falls jemand sich fragt: Der Inhalt wurde dann natürlich fachgerecht entsorgt…
Beam me up Scotty
Da wir noch in der Zwischensaison waren, gab es auch keine Möglichkeit den Sessellift zur Bergstation zurück zu nehmen. Jedoch wurden wir, nachdem wir den schmackhaften Lunch, den uns die Leute von Laax mitgegeben hatten, verspiesen hatten, auf der Ladefläche eines landwirtschaftlichen Fahrzeuges wieder zum Crap hochgefahren. Für die Kinder war dies eigentlich das Highlight des ganzen Tages. Nach ca. 4 Stunden war das Aufräumen beendet und die Zeit verging im Fluge.
Jedenfalls waren die Aufräumteams sehr effizient und es kamen hunderte Kilo Abfall zusammen. Dieser wurde neben der Bergstation in einer Mulde gesammelt, in den folgenden Tagen ins Tal gebracht, dann fachmännisch Getrennt und Entsorgt.
Zum Abschluss gab es in der Talstation für alle Teilnehmer noch eine Wurst und ein Getränk. Danach machten sich die Leute auf den Weg nach Hause, um den Rest des Sonntags mit einem guten Gefühl geniessen zu können. Ach ja, eine Tageskarte für den kommenden Winter haben alle Teilnehmer auch noch bekommen.
Boards, Bolo und Bingo
Das Woodstock vom Snowboarden
Chefredakteur und Snowboarder seit 1985.