30 cm frischer Powder am Vortag und strahlender Sonnenschein, so feierte man das 20. Jubiläum des Longboard Classic (LBC) in Stuben am Arlberg. Mit 560 Teilnehmer war es wahrscheinlich auch eines der grössten Events in der Geschichte des Snowboardens.
Treffpunkt Mondschein Bar
Freitagabend. Wir sind direkt nach der Arbeit ins Auto gesessen und haben uns auf den Weg nach Stuben gemacht. Nach gefühlten 100 Radarkontrollen in Österreich, erreichen wir den Arlberg und somit Stuben. Schon vor dem Dorfeingang sieht man die Lager der Snowboarder, welche sich entlang der Hauptstrasse auf den Parkplätzen gebildet hatten. Kleine Skateramps wurden aufgestellt und das eine oder andere veritable Lagerfeuer war schon in der Mitte von „Wagenburgen“ am brennen.
Nachdem wir im Après Post Hotel eingecheckt und dort vorzüglich gegessen hatten (Hotel und Essen sind sehr empfehlenswert), ging es weiter in die Mondschein Bar zur „Welcome Party“.
In der Mondschein Bar legte das Mortal Kombat Soundsystem auf. Ich hielt mich aber in der angrenzenden Gaststube auf, wo ich viele alte Gesichter traf. Nicht alt, wegen des Alters, sondern weil ich sie von früher kannte. Mmm, also doch auch alt, wegen des Alters… Item, unter vielen bekannten Schweizern traf ich dort auch Dani „Kiwi“ Meier und Oliver Holzmann, letzterer ist spontan aus Kalifornien zum LBC angereist. Einige Glückliche sind bereits am Freitagmorgen angereist, konnten auf der Albona mit 30 cm frischem Powder ihre Spuren ziehen und lassen die Spätangereisten genüsslich erfahren, was sie verpasst haben. Die vielen angereisten alten Hasen zeigten schon am Vorabend, dass die zwanzigste Ausgabe des LBC etwas ganz spezielles wird.
Irgendwann, relativ früh, zog ich aber die Reissleine und gönnte mir die notwendige Nachtruhe. Andere Fahrer, so sollte ich am nächsten Tag erfahren, hatten aber eine sehr kurze, dafür umso intensivere Nacht…
Paul Gruber und die Anfänge des Longboard Classic
Paul war 1980 der erste Kunde von Jake Burton ausserhalb der USA. Nach ein paar Jahren als Teamfahrer für Sims gründete er 1984 mit seinem Partner Harry Gunz die Marke Crazy Banana. Damals war Snowboarden noch unbekannt und auch viele der Liftanlagen liessen sie meist erst nach langem Verhandeln auf den Berg. In Stuben war das von Anfang an ganz anders. Rudi Pichler vom Tourismus Stuben sagte zu ihnen: Macht keinen Ärger und kommt bis Liftschluss wieder runter! Das war der Startschuss für eine lebenslange Liebe zum Snowboardhimmel Stuben mit Pauls Lieblingsberg, der Albona.
Die zündende Idee für das LBC kam dann im Restaurant Mittelstation in Stuben. Pünktlich zum Wochenende riefen Freunde an und fragten, wo sie snowsurfen gehen? Die Antwort war immer dieselbe: Treffpunkt um 07.00h im Büro und dann sofort nach Stuben. Also sagten sie sich: Wieso veranstalten wir nicht einmal im Jahr einen speziellen Snowboardtag, bei dem wir alle Freunde und deren Freunde dazu einladen, gemeinsam die Albona zu befahren. Im ersten Jahr kamen 80 Leute, dieses Jahr waren es 560. Pauls alte Freunde aus den 80ern, darunter Terry Kidwell, Shawn Farmer und Jose Fernandes, kommen regelmässig zu Besuch. Was Paul vor allem fasziniert, ist die Tatsache, dass Stuben als Wiege des Skisports gilt. Der Skipionier Hannes Schneider ging schon in den 20er und 30er Jahren mit seinen Freunden auf die Albona und die Devise lautete: Wer zuerst im Dorf ist, hat gewonnen. Genau dieses Format haben sie kopiert, denn Snowboarden ist gemeinsam mit Freunden am schönsten.
Dem kann man wohl nichts mehr hinzufügen.
Unerwarteter Andrang
Als LBC-Neuling wusste ich nicht, was uns erwartet. Deshalb wollte ich auch nicht zur letzten Minute bei der Registration erscheinen. Nach einen gemütlichen Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Eventzelt, was etwa 1 Minute vom Hotel und den Parkplätzen entfernt lag. Im Zelt selbst war schon eine längere Schlange von Elho- und Oxbow-Trägern.
So kam ich mir mit meinen 20-jährigen Kleidern noch zu modern vor. Ältere Klamotten hatte ich nicht mehr zuhause, alles was älter war, wurde bis zum zerfallen getragen oder weitergereicht. Meine persönliche ISF-Startnummer von 1994 habe ich noch aus einem alten Boardbag ausgegraben und getragen. Und ich war nicht der einzige, der seine alte ISF-Startnummer getragen hat. Firmen als Sponsoren waren darauf zu lesen, die es heute teilweise gar nicht mehr gibt oder nichts mehr mit Snowboarden zu tun haben.
Das frühe Anstehen hat sich gelohnt, denn Paul Gruber wurde von den vielen Teilnehmern dieses Jahr komplett überrascht. Mit 560 Teilnehmern, also einem Wachstum von knapp 20 Prozent zu letztem Jahr, konnte man wirklich nicht rechnen. So kam es, dass die letzten Anmeldungen ohne eines der kultigen T-Shirts nach Hause fahren mussten.
Mitfahren konnten trotzdem alle und auch 60 Essensgutscheine wurden noch vor Ort von Hand erstellt, so dass jeder nach dem Rennen zu seinem Mittagessen kam.
Jeder Teilnehmer bekam als Liftticket ein Lei (Hawaiianische Blumenkette) und damit konnte man an jedem Drehkreuz vorbeifahren und ohne weitere Verzögerung auf den Berg kommen. Allgemein war die Organisation erstklassig, man spürt, dass dieser Wettkampf bereits in der DNA der Ortschaft Stuben und Paul Gruber verankert ist.
Alles am LBC ist von Paul organisiert worden, vom Festzelt bis zu den DJs, von den T-Shirts bis zu den Bewilligungen der Gemeinde. Unterstützt wird er von Muck Müller für die Pressearbeit, Fredy Hollenstein für die Webseite, Thomas vom Hotel Post für das Catering und Gebi Pichler von Stuben Tourismus für die Übernachtungen. Eine eingeschworene Gemeinschaft ohne deren Mithilfe es nicht mehr ginge.
Gegen den grossen Kommerz
Im Zielbereich des LBC gab es nebst dem Festzelt und dem Red-Bull-Zielbogen auch noch ein ganzes Dorf mit unzähligen Ständen, an denen man die aktuellsten Testboards ausleihen konnte. An den entsprechenden Ständen konnte man auch legendäre Persönlichkeiten aus 40 Jahren Snowboardgeschichte, wie Yogi März oder Serge Dupraz zum Schwätzchen treffen. Oder man konnte auch mit dem legendären Titus quatschen oder ein Bierchen trinken.
Alles ging ganz entspannt und in einem familiären Rahmen zu und her, so wie man es sich zum Saisonabschluss halt vorstellt. Dies wird auch bewusst so gemacht, hat man sich doch in all den Jahren explizit den grossen Sponsoren verweigert, um den Anlass persönlich zu halten. Und schon jetzt stösst Stuben als kleines Dort mit dem LBC an die Kapazitätsgrenze und immer mehr Teilnehmer müssen nach Klösterle „ausgelagert“ werden.
Um 11 Uhr haben sich dann die letzten Wettkämpfer auf den Weg zum Albonagrat gemacht und der Zielbereich gehörte den Angehörigen und Freunden. Sogar einige Stände wurden kurzfristig verwaist. Scheinbar sind die Leute auch „kurz“ auf die Albona gegangen…
Tausend und Eins
Das Rennen ist ganz einfach: Wer zuerst unten ist gewinnt. Die Routenwahl ist jedem selbst überlassen. Es gibt verschiedene Kategorien: LBC Masters (Boards ab 172 cm (m) / 162 cm (f)), LBC no school (keine Einschränkung (m/f)) und LBC old school (Board älter als 1990 (m/f)). Der Start auf dem Albonagrat liegt auf 2408 m ü.M. und das Ziel im Dorf auf 1407 m ü.M., das bedeutet 1001 Höhenmeter lang puren Spass. Die Strecke ist zu 100 Prozent „Off-Piste“. Vom Start bis zum Ziel fährt man nicht einmal in der Nähe einer offiziellen Piste.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wieso die Albona ein Traumhang ist, wenn nicht gerade am Vortag schon -zig Fahrer auf der Albona ihre Linien gezogen haben und am Renntag nochmals 560 runterbolzen.
Um 12 Uhr verziehen sich dann auch noch die letzten Wolkenschwaden vom Startbereich und der Arlberg präsentiert sich im Kaiserwetter. Perfekter könnten die Voraussetzungen nicht sein. Mück Müller verschlägt es trotz Megafon zuerst die Sprache.
Es ist schon eindrücklich, wenn über 500 Boarder in ihren teilweise uralten Klamotten und Boards auf dem Berg stehen und auf den Start warten.
Was auch auffiel ist, dass viele ältere Semester ihre Kinder zum LBC mitnahmen. Teilweise hatten auch die Kinder alte Kleider und Boards. So zum Beispiel ein Teenager mit einem alten Brushie-Board und Chiemsee-Klamotten, alles Material, das älter als das Mädel selbst war.
Eine Riesengaudi herrschte im Startbereich und ab und zu wurde auch ein Flachmann hervorgenommen, um Kurvenwasser zu verteilen.
Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, war dann endlich der Start. Beim LBC gibt es einen Massenstart je Kategorie. Das bedeutet der Start wird im Le-Mans-Stil gemacht. Etwa 50 Meter von der Kante entfernt warten die Teilnehmer auf das Startsignal und rennen dann über das flache Stück bis das Gefälle es zulässt, das Board zu montieren. Le-Mans ist eigentlich ein lahmer Sch**ss dagegen.
Das ganze Spektakel pro Kategorie geht ein paar Minuten, denn nebst den ambitionierten Fahrern, die einen Spurt hinlegen, gibt es auch die Geniesser, die gemütlich zur Kante laufen, das Board montieren und sich dann auf den Weg machen, um das Feld von Hinten aufzuräumen. Bei den meisten Teilnehmern ist das Mitmachen alles, denn jeder der es an diesem Tag auf die Albona geschafft hat, ist ein Gewinner. Das mag sich abgedroschen anhören, doch was man hier geboten bekommt, sucht seinesgleichen.
Boarden und Chillen
Die Fahrt nach Stuben geht zuerst über einen moderat steilen, aber breiten Hang, der prinzipiell einfach zu Fahren ist, jedoch sieht man auf den Bildern einige Stürze… Hier sind einige Teilnehmer über ihrem Limit gefahren und mussten mit Stürzen bezahlen.
Es gab aber keine Verletzten, so dass die Bergrettung ihren Nachmittag oben auf der Albona als Zuschauer verbringen konnten.
Nach dem grossen Hang, gibt es ein flacheres Stück und die Wahl der Qual der Strecke. Einige wenige haben den direkteren, aber schwierigeren Weg durch das Couloir genommen. Die Mehrheit ist über einen weiteren Hang gefahren und hat es dann zum Ziel ziehen lassen.
Es gab auch einige Teilnehmer, die unterwegs anhielten, einen Picknick machten und erst nach der letzten Gruppe, wieder das Board unter die Füsse genommen haben. Auch sie sind dann noch irgendwann ins Ziel gekommen. Im Ziel selbst wird beinahe jeder Fahrer persönlich von Dani „Kiwi“ Meier im legendären Evil Knievel-Anzug oder Paul Gruber empfangen.
Und jeder Boarder, der den Red-Bull-Zielbogen durchquerte, wurde von den Zuschauern wie ein Gewinner gefeiert. Und so ging die Zieleinfahrt der Teilnehmer mit dem Feiern und Chillen fliessend über. Je mehr Boarder ankamen, desto grösser wurde die Party.
Zum Schluss nahmen Mike Obermeier und Mück Müller die einfachere Route mit allen Kindern und fuhren mit ihnen ins Tal. Mit deren Ankunft war das Rennen nun offiziell abgeschlossen.
3P: Podest, Preise und Plastiksäcke
Wer in welcher Disziplin gewonnen hat, kannst Du auf der offiziellen Webseite longboardclassic.com nachlesen. Ich werde Dich damit nicht langweilen. Auch dieses Jahr gab es wieder viele bekannte Namen, respektive Wiederholungstäter. Der jüngste Teilnehmer war 6 Jahre alt und es hat doch wirklich einer geschafft die Albona mit einem Board ohne Bindung zu fahren.
Speziell zu erwähnen ist die Versteigerung eines LBC-Unikates von Boerteun zu Gunsten von skate-aid.org einer Stiftung gegründet von Titus Dittmann, die dafür steht einen ganzheitlichen, selbstbestimmten Ansatz zur Förderung von jungen Menschen im Rahmen der Jugendhilfe, des Sports, der Kultur und Völkerverständigung zu bieten.
Es gab für alle Podestplätze ein Diplom und auch alle Kinder, welche Teilnahmen, konnten sich einen Sachpreis aus unzähligen Kisten aussuchen. Alle übriggebliebenen Sachpreise wurden dann in die anwesenden Zuschauer geworfen. Jetzt wurde mir auch klar, wieso einige Jungs die ganze Zeit mit Plastiktüten in der ersten Reihe standen. Das waren LBC-„Profis“, die genau wussten, was nun geschehen würde. So bekam fast jeder Zuschauer einen oder mehrere Sachpreise und vor allem die anwesenden Kinder machte dies überglücklich. Auch wir hatten einen Zuwachs von Sonnenbrillen und Mützen.
Nachdem alle Kisten geleert waren, war auch die offizielle Preisverleihung vorbei.
Die Leute zogen sich entweder in die Unterkunft zurück, haben sich gemütlich mit ein paar Kisten Bier nochmals hingesetzt, dem rockigen Soundact „New York Wannabe“ zugehört, auf der Miniramp geskatet oder einfach nur die Sonne genossen. Viele harrten bis zum Sonnenuntergang aus und genossen das friedliche Zusammensein mit Gleichsinnigen.
Party bis die Balken bersten
Nach einer Dusche und einem währschaften Abendessen, konnte der absolute Stimmungshöhepunkt starten: Die Live Acts im Festzelt. Es gibt übrigens einen „Running Gag“, dass während des DJ-Sets in der Nacht die Leute so animiert wurden, dass alle mit den Füssen auf den Boden „klopften“. Als Folge davon hat es öfters Löcher in der Tanzfläche gegeben, ein Heidenspass. Aber der Zeltbauer ist lernfähig und verwendet seit drei Jahren dickere Bodenbretter…
So traten zuerst „A New Day Band“ auf mit dem Tausendsassa Paul Gruber an der Gitarre und bieteten coolsten Sound auf sehr hohem Niveau. Sie schafften es bereits nach einigen Liedern das ganze Zelt zum kochen zu bringen und mit dieser Stimmung an den nachfolgenden Act abzugeben. Mit einem so vorgeheizten Publikum war es für Ucee mit seiner Reggae Band ein Leichtes den krönenden Abschluss des diesjährigen Jubiläums-LBC zu zelebrieren. Das Zelt bebte.
Ein Soul-Event
Wir durften am Sonntag ausschlafen und gemütlich das ausgezeichnete Frühstück zu uns nehmen. Und wieder sitzen bekannte, müde aber glückliche Gesichter an den Tischen um uns herum. Dieses Wochenende war Stuben in der Hand der Boarder und ich unglaublich froh, ein Teil davon gewesen zu sein. Das LBC ist ein Soul-Event, der von der speziellen Stimmung und dem unglaublichen Berg lebt. So denkt Paul Gruber nicht, dass es mehr als 1000 Teilnehmer verträgt. Bis dahin wird es aber noch eine Zeit dauern und so sind wir gespannt, wieviele Teilnehmer wir nächstes Jahr nennen dürfen.
Nach dem Event ist vor dem Event. Auch nächstes Jahr können wir wieder ein perfekt organisiertes LBC erwarten, dass hemdsärmelig wirkt, aber perfekt orchestriert ist. Halt die Handschrift vom Grandmaster of Snowboarding Paul Gruber!
Am 18. April 2020 ist es wieder soweit.
Wir sind dabei!
Und Du?
Link zur offiziellen Webseite und noch mehr Fotos: longboardclassic.com
7 Stutz und Gras
21 Steilkurven zum Glück
Chefredakteur und Snowboarder seit 1985.